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WORT

Es ist ein Pass, ein Alpenpass, der die Täler trennt, und auch die Bäche, die den frischen Quellen zwischen Felsen oder Moos entspringen, die bei Schneeschmelze anschwellen und in mächtigen und donnernden Wasserfällen ins Tal hinab stürzen und sich hier in Flüsse verwandeln. Aber zuletzt fließen alle Flüsse in ein Meer, sei es in die Adria, ins thyrennische oder ins schwarze Meer. Das Wasser unternimmt eine lange Reise durch enge Täler und über hohe, brausende Wasserfälle, bevor es in einen der beiden großen Flüsse sprudelt und in schillerndem Blau sanft, majestätisch und manchmal durch hohe Mauern gebändigt über fruchtbare Ebenen fließt […]. Sie haben die gleich Heimat, und auch wenn sie aus fernen Ländern kommen, kehren sie immer wieder zurück an ihren Ursprungsort.*

Mit dieser Textpassage möchten wir unseren Führer eröffnen. Sie bezieht sich zwar nicht direkt auf die Piave und die Drau, aber sie vermittelt doch ein sehr passendes Bild über die im Führer beschriebenen Flüsse und Landschaften.
Die Flüsse sind eine natürliche Kommunikationsverbindung, die für Jahrhunderte die Mobilität der Menschen und der Ideen im Alpinen Raum Österreich – Italien ermöglicht hat. Oft wurden diese Flüsse jedoch zu einem einfachen Instrument der administrativen Teilung degradiert, und man hat das Flusseinzugsgebiet nicht in seiner Gesamtheit verstanden – wie auch von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie WFD 2000/06 vorgegeben wäre.
Das Interregprojekt IV Drau - Piave widmet sich der Wiederentdeckung und der kulturellen Valorisierung dieses antiken Gemeingutes, beginnend bei der Architektur. Zwischen Piave und Drau gibt es eine historische Fluss- und Lagunenarchitektur mit einzigartigen und unwiederholbaren Spuren, die sich jedoch oft in verwahrlostem Zustand präsentiert.
Die Provinz Belluno als Leadpartner des Projekts, die Provinz Treviso, der Verein Napoleonstadel- Kärntens Haus der Architektur und der Fremdenverkehrsverein Toblach hatten die Gelegenheit, die Merkmale des eigenen hydrographischen Einzugsgebietes zu analysieren und einen grenzüberschreitenden Austausch von bewährten Projektpraktiken zu stärken.

Das Projekt hat das Ziel, einerseits einen nachhaltigen Ökotourismus zu etablieren und andererseits auch das Zugehörigkeitsgefühl und die Identität der Bevölkerung dieses Flussgebietes zu verstärken und die Lebensqualität zu verbessern.
Mit den Projektmaßnahmen soll der Grundstein für die Entwicklung eines Flusstourismus gelegt werden, dessen Ausgangspunkt das Wasser als "Gemeingut" ist und durch den man das Land und die mit den Flüssen oder Seen in Zusammenhang stehenden Güter besser kennenlernt..
Valorisiert wird die qualitätsvolle Architektur in Fluss- und Seegebieten, mit historischen und modernen Beispielen einer mit dem Element Wasser in Dialog stehenden Wohnkultur.
Der mit dem Projekt geförderte Tourismus konzentriert sich auf das Natur- und Kulturerbe in den Flussgebieten beider Regionen und kann eine Vorbildfunktion für andere Zonen mit ähnlichen landschaftlichen Gegebenheit übernehmen.
Es erfolgt eine Bestandsaufnahme und somit das Wiederbeleben von spezifischen Informationen über das Leben im Flussgebiet; manche dieser für die künftige Valorisierung dienlichen Informationen sind dokumentiert, oft existieren sie aber nur als mündliche Überlieferung.
Während der ersten Phase der Bestandsaufnahme des natürlichen und kulturellen Gemeingutes an der Piave war ein wissenschaftliches Team mit externen Fachspezialisten für das Centro Civiltà dell'Acqua tätig.
Dieses Team unterstützte die internen Mitarbeiter bei der Ausarbeitung einer Liste mit 200 aus architektonischer, ethnografischer, kunsthistorischer und archäologischer Sicht signifikanten und repräsentativen Orten/Stellen an der Piave.
Bei der Individualisierung und Aufnahme der Plätze wurde ihre direkte Beziehung zum Fluss berücksichtigt: die Bauten charakterisieren sich durch die funktionale und architektonische Nutzung des Wassers, und die Naturgebiete durch ihre besonders enge Beziehung zum Fluss, zum Wasser oder zum Flusseinzugsgebiet.
Dieses anhand eines multi- und interdisziplinären Verfahrens erfasste Gemeingut wurde anschließend in Bezug auf seine touristische Nutzbarkeit untersucht.
Jedem der individualisierten Plätze sind ein oder mehrere Schwerpunkte zugewiesen, und so werden 5 unterschiedliche Itinerarien zu folgenden Themen geplant: Natur, historische Architektur, zeitgenössische Architektur, Ethnografie und industrielle Archäologie.
Die anfängliche Unterteilung in die Kategorien zeitgenössische Architektur (AC), industrielle Architektur (AI), historische Architektur (ASA), ethnographische Stätten (SE) und Naturzonen (SIN) wurde beibehalten, und für Plätze, die mehreren Kategorien angehören, hat man die vorwiegend präsente herangezogen.
Bei der Ausarbeitung des Führers wurde beschlossen, nicht wie anfangs geplant die fünf Itinerarien zu präsentieren, sondern die betroffenen Flusseinzugsgebiete in Zonen zu unterteilen und so nicht zu thematischen sondern zu geographischen Touren einzuladen.
Bei diesen geographischen Itinerarien erlebt man die mehr oder weniger ausgeprägte thematische Vielfalt der Zone und erkennt ganz klar, welche Rolle das Wasser des Flusses bis in die 60er Jahre letzten Jahrhunderts gespielt hat; es diente zum Transport von Produkten und Waren, es war die Energiequelle für Sägewerke, Mühlen und Schmieden und somit die Lebensgrundlage für die Menschen.
Beim Partner in Österreich wird das Wasser des Wörthersees zu einem Ort der Meditation, man findet dort wunderschöne Villen, in denen die Menschen aus der Stadt den Sommer verbrachten, und Kunst und Architektur dialogieren mit dem See. Die Architekten schufen gemäß den romantizistischen Vorgaben des späten 19. Jahrhunderts eine direkte Verbindung zum See und zum Wasser, mit Stegen, Bootshäusern, Lauben und Terrassen, die am grünen Ufer oder auf steilen Felsen stehen. Diese Vision blieb über Jahrzehnte hinweg lebendig, und auch die heute moderne Architektur hat die gleiche Beziehung zum See, obgleich sie dabei andere Methoden anwendet und den zeitgenössischen Stilrichtungen einbindet.
Der Toblacher Partner präsentiert im Internet eine Broschüre mit einer Reihe von symbolträchtigen und direkt mit dem Wasser in Verbindung stehenden Plätzen und Stellen im Gemeindegebiet. Man findet dort das Kraft Quelle Labyrinth mit dem kraftspendenden Trinkwasserbrunnen im Zentrum, den ZweiWasserBrunnen, in dem sich das kalkhaltige Wasser der Dolomiten mit dem eisenhaltigen aus den Zentralalpen mischt, den Drau-Stationen-Weg, die Drauquelle, die Wasserinstallation im Park des Toblacher Grand Hotels, die Aussichtsplattform Toblacher See, das Elektrowerk Schmelze, das mit dem Wasser der Rienz betrieben wird, und den historischen Schmelzofen am Klauskofel. Alle im Rahmen des Projekts durchgeführten Maßnahmen und Initiativen trugen zur Wiederentdeckung und Belebung von Plätzen und Aktivitäten bei, die besonders eng mit dem Wasser verbunden sind.
Bei der Einteilung in Großzonen wurde die Diversität der Sehenswürdigkeiten berücksichtigt, denn man möchte eine Art von Gran Tour schaffen, bei der man diese Zonen besser kennen lernt und vielleicht auch kleine, unbekannte und in Vergessenheit geratene Schätze entdeckt.
Mit dieser ersten systematischen Arbeit wollen wir dazu einladen, jene Plätze und Orte zu erkunden, die in Vergessenheit gerieten, seit ihre Beziehung zum Wasser unterbrochen wurde.
Der Führer ist als praktisches Instrument für die heimische Bevölkerung und für Touristen gedacht und liefert interessante Hinweise über die Geschichte und Natur eines Landes, in dem die Menschen untrennbar dem Wasser verbunden waren. Und diese historische Beziehung zeigte sich in unterschiedlichen Sektoren: Wasser – Antriebskraft, Wasser – Transportweg für die Holzwirtschaft, Wasser – Energiequelle für Kraftwerke, Wasser – touristische Ressource für die Urlaubszeit.
Die Beziehung Mensch – Fluss wird heute weitgehend von Mensch – Straße abgelöst, mit anderen Zielen, anderen Geschwindigkeiten und anderen Transportmitteln.
Diese Broschüre präsentiert eine Alternative dazu, sie gibt Aufschluss über die ethnografische und technologische Entwicklung der Architektur und Kunst, die der Mensch längs der Flüsse in diesem alpinen und zum UNESCO – Welterbe erklärten Raum geschaffen und erhalten hat.

Ivano Alfarè Lovo e Letizia Lonzi


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* Giovanna Zangrandi beschrieb in der Einführung ihres Buches "I Brusaz" die Piave und die Rienz, und um diese beiden "Grenzflüsse" kreist auch die Handlung des Romans. In der Nähe des Toblacher Sattels entspringen Bäche, die zum Teil in den Po und das Mittelmeer (Rienz) münden und zum Teil in die Donau und das Schwarze Meer (Drau). Trotz ihres so unterschiedlichen Reiseziels haben sie ein und die selbe Heimat: die Dolomiten.

** Die Beiträge der Projektpartner aus Österreich und Toblach wurden von Ivano Alfarè Lovo anhand von Texten von "Kärntens Haus der Architektur" und der Direktorin des Toblacher Fremdenverkehrsvereins Kathrin Tschurtschenthaler überarbeitet.